Blick hinter die Kulissen, Eco, Werbung

Interview mit SONNENTOR Gründer Johannes Gutmann

Alex und ich durften im Zuge unseres Aufenthalts in Sprögnitz (hier könnt ihr alles darüber nachlesen) eine Stunde lang mit Johannes Gutmann, dem Gründer von SONNENTOR, quatschen. Es war ein lustiges und informatives Gespräch auf Augenhöhe, das uns sehr viel Spaß gemacht hat. Ich teile hier einige Fragen und (gekürzte) Antworten mit euch. Viel Freude beim Lesen!

Wie ist der Alltag bei SONNENTOR? Was machst du? Wie viel arbeitest du noch?

Ich bemühe mich, die Stimmung und auch den Sinn unseres Unternehmens immer wieder zu vermitteln. Motivierend zu begleiten. Ideen, die mir kommen, mit Leuten zu diskutieren. Strategie, Weiterentwicklung und Motivation. Ich möchte auch meinen Kindern vermitteln, dass Arbeit Freude machen kann. Da geht’s nicht darum, lange zu arbeiten, sondern da geht’s darum, immer dort dabei zu sein, wo es sinnvoll ist, und wo ich gebraucht werde. Ich habe viele gute Mitarbeiter*innen und an die kann ich getrost abgeben. Ich weiß, die machen das besser als ich. Es ist gut, wenn man versteht, was man kann und was nicht und begreift, wo man sich selbst im Weg steht.

Wie konntest du soweit kommen, ohne Investor*innen an Bord zu holen? SONNENTOR ist schließlich noch immer Eigentümergeführt.

Ich bin eigentlich sehr dankbar, dass ich anfangs wenig Startkapital hatte. Ich hatte umgerechnet etwa 7.000€ gespart und hatte noch 15.000€ durch einen Jungunternehmerkredit. Ich wusste sehr schnell, was das Ende der Fahnenstange ist. Da lernt man wirklich, mit dem, was man hat, hauszuhalten. Du lernst auch schnell, was du nicht brauchst. Dadurch war ich entschleunigt und relaxed. Statussymbole und anderes Zeug, das ich gar nicht brauchte, habe ich weggelassen. Reduced to the max. Deshalb ist SONNENTOR immer durch eigene Kraft kontinuierlich und nachhaltig gewachsen. Natürlich habe ich auch mal Kredite gebraucht, aber Investments waren nicht notwendig. So bin ich in den letzten 32-33 Jahren immer gut gewachsen.

Wann kam dann der/die erste Mitarbeiter*in?

Meine erste Mitarbeiterin war 1989 meine Ex-Frau. Und dann kam kurze Zeit später ein weiterer Mitarbeiter dazu. Ein Bekannter, der nicht versichert war. Er war aber eigentlich nur so lange angestellt, wie er im Gesundungsprozess war. Mein zweiter langfristiger Mitarbeiter kam dann 1991. Da gab es bereits ein kleines Lager, 25 Quadratmeter groß. Mit diesem Mitarbeiter habe ich Auslieferungen übernommen, Kräuter von Bauern abgeholt, usw.

Was waren die ersten Produkte?

Ich stand anfangs ja immer beim Bauernmarkt und habe dort andere Bauern und Bäuerinnen beobachten können. Ich habe dann einfach geschaut, welche Kräuter gibt es bereits in Bio-Qualität. Die ersten Produkte waren Tees. Ich habe dann aber anfangen, Teemischungen zu machen, weil ich schnell gemerkt habe, dass Produkte, wie „Gute-Nacht-Tees“ einfach gut ankamen. Ich hatte 25 Produkte.

Wie war das Packaging bei den ersten Produkten?

Mir war besonders wichtig, dass es Sichtfenster gibt, dass man sehen kann, was drinnen ist. Da habe ich natürlich gleich am Anfang eine große Fehlentscheidung getroffen, denn ich hatte die falschen Tüten bestellt. Nämlich welche ohne Sichtfenster. Da war ich übertraurig. Ich hatte drei Paletten mit Tüten. So war ein Drittel des gesamten Grundkapitals weg. Da habe ich mir gedacht „Oh, Gott“ und habe mich gar nicht getraut, das meiner Mutter zu sagen. Die Sichtfenster waren mir so extrem wichtig, dass ich die richtigen nachbestellt habe. (Die falsche Bestellung wurde dann Jahre später erst verwendet). Die undurchsichtigen Tüten gab es ja überall. Ich wollte, dass die Leute sehen, was drinnen ist. Heutzutage gibt’s ohne Ende Studien, dass sich Produkte mit Sichtfenstern besser verkaufen. Aber damals haben alle nur geschimpft und gesagt, dass die Kräuter durch die Sichtfenster vergilben würden und kaputt gehen. Da war ich ziemlich in der Kritik. Ich habe dann gesagt „meine Kräuter haben gar keine Chance zu vergilben, die sind dreimal so schnell weg, wie deine.“
Später haben sich alle dem angepasst. Das ist wieder klassisch, erst verlacht, dann nachgemacht. Man muss einfach dranbleiben. Man darf sich nicht abbringen lassen und verunsichern lassen.

Woher wusstest du, dass der Weg der richtige ist?

Es gab viele kleine Selbstbestätigungen. Das fing beim Bauernmarkt an. Menschen haben die Kräuter immer wieder nachgekauft. Die Kritiker auf dem Ämtern wissen ja nur, wies nicht geht. Aber wenn du merkst: Das klappt, die Menschen mögen es, dann muss man auf dieser Goldader draufbleiben und einfach weitermachen.

SONNENTOR arbeitet nach der Kreislaufwirtschaft. Wie bist du auf den Gedanken eines Kreislaufs gekommen?

Der Kreislaufgedanke war von Anfang an prägend. Für mich war klar, dass nur dann was langfristig funktioniert, wenn man sich im Kreislauf entwickelt und bewegt. Du musst anbauen, darfst pflegen und dann irgendwann auch ernten. So wie es Jahreskreisläufe und Rituale gibt. Das ist einer gewissen Gesetzmäßigkeit unterworfen. Wir Menschen müssen uns dem beugen. Wenn du beim Kreislauf mitmachst, bist du Teil davon und dir geht’s gut, wenn du dich dagegen stellst, wirst du vielleicht irgendwann einmal rausfallen oder kehrst reumütig zurück. Es ist alles ein Kreislauf, leben, sterben, wachsen. Die Natur, das Leben. Wenn du mitmachst, das akzeptierst, dann geht’s dir gut, dann wirst du davon getragen. Wenn du dich dagegen stellst, holt dich der Wind.

Wie konntest du das mit dem Kreislauf in so jungen Jahren schon verstehen?

Schau, ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen. Ich habe das ganz früh erlebt. Du wächst ja mit der täglichen Arbeit beim Bauernhof mit. Du weißt, wann was wächst, wann du ernten kannst, usw. In den Universitäten wird dir halt leider oft vieles beigebracht, was sich komplett gegen den natürlichen Kreislauf stellt. Ich habe 14 Tage Welthandel studiert, und für mich war das alles sehr unverständlich. Ich kann schließlich nicht nur Geld um des Geldes Willen machen. Ich kann dann Geld verdienen, wenn ich Werte schaffe. Ich habe von Anfang an immer nur geschaut, was zu mir passt, was ich verstehen kann und um alles andere habe ich mich auch nicht bemüht, weil ich mir dachte: Das Hirn kann man trainieren. Das Herz und den Bauch aber nicht. Ich wollte mich nicht verdrehen für die Universität. Ich wollte das umsetzen, was mir im Herzen und im Bauch liegt. Das Hirn habe ich dann nicht mehr so unbedingt trainiert (lacht). Stattdessen bin ich in die Praxis gegangen.

Trotzdem sehe ich es nicht als selbstverständlich, dass du so unerschütterlich wusstest, was das „Richtige“ ist. Andere sind auch auf einem Bauernhof aufgewachsen und wollten dennoch höher, schneller, weiter hinaus und haben dann vielleicht begonnen Pestizide zu sprühen. Warum kam das nicht in Frage?

Ich habe mir ganz einfach die Vorbilder in der biologischen Landwirtschaft gesucht. Die haben tolle Lebensmittel, zerstören nicht, sind Teil des Kreislaufs. Wenn sie diesem dienen und dem nichts in den Weg stellen – wie sollen sie krank und unglücklich werden? Im Gegenteil! Das war für mich so schlüssig, dass ich mir das auch als Bauernbub, als Mr. Nobody zusammenreimen konnte.

Wann hast du angefangen, die Produkte auszuweiten? Aus Österreich rauszugehen?

Anfangs war es so, dass es mehr Produkte und Bauern gab, als man in Österreich verkaufen könnte. Die Bio-Community war klein. Es gab nur 15 Bioläden in Österreich. Der Lebensmittelhandel ist erst 1995 auf den Bio-Gedanken gekommen. Durch den beitritt Österreichs zur EU.

1993 dachte ich mir, dass 15 Bioläden eigentlich recht wenig sind. Ich fand, dass man mehr machen kann. Also bin ich nach Deutschland gefahren. Mir kam es so vor, als hätte ich Amerika entdeckt. Das war die erste Bio-Fachmesse in Ludwigshafen. Ich war der einzige Spinner aus Österreich. Da haben sich alle Ökos getroffen, auf dieser Müsli-Messe. Ich bin mit meinem alten Lieferwagen hingefahren. Ich bin mit meiner Lederhose natürlich aufgefallen, weil niemand so eine alte, hässliche Hose anhatte. Die Messe war ganz klein und fein. Ich dachte nur „Oh, Amerika! Heaven!“ In Deutschland gab es bereits 300 Bioläden. 20x mehr als in Österreich. Ich wusste: Da muss ich hin!

Die ersten Bio-Pioniere waren zum Teil auf dieser Messe. Ich habe mich sofort wohlgefühlt. Ich wollte das Jahr später mit meinen Produkten wiederkommen. Einer meiner ersten beiden Kunden in Deutschland war Herbaria (ein Großhändler, der Rohstoffe gekauft hat, da wir mehr hatten, als wir verkaufen konnten). Anfangs war der Rohstoffhandel also sehr wichtig für mich. Heutzutage sind da 50.000 Besucher pro Messe. Durch die Messe sind wir vor 25 Jahren international geworden.

Über Österreichs Grenzen hinauszuwachsen hat sich natürlich ergeben. Alle sind einfach mitgewachsen. 1993 haben wir dann die ersten Gewürze mit ins Sortiment genommen. Pfeffer und anderes. Das hat sich so ergeben, weil ich auf der Messe viele Kontakte geknüpft habe.

Und sind aktuell die Tees oder die Gewürze beliebter?

Wir machen aktuell mehr Umsatz mit Gewürzen, als mit Tee.

Welchen Part spielt gutes Design bei eurem Erfolg? Oder zählen nur die inneren Werte?

Wir haben schon recht früh erkannt, dass Design und Verpackung einen ganz anderen Marktauftritt erlaubt. Die Ökos waren von Anfang an sehr wichtig. Doch als Bio dann sexy wurde, musste es natürlich auch anders aussehen. Wenn es breiteren Bevölkerungsschichten auffällt, dann wächst der Markt. Weil vom Anbau her war es möglich. Somit war es wichtig, den Markt mit hochzuziehen. Das haben wir über Design und Kommunikation geschafft. Besonders erfolgreich sind wir in Deutschland gewachsen. Erst später in Österreich.

Wie funktioniert Gemeinwohl-Ökonomie in der Umsetzung?

Das hat mit Motivation und Sinnfindung zu tun. Wenn ich alles, was ich tue, immer mit allen, die mir helfen, mittrage, kommuniziere, alle fair behandle, im Kreislauf wirtschafte, nicht nur verbrauche, sondern auch wiedergebe, dann ist das ein gesundes Wachstum.

Wo fließt das Geld dann wieder hin?

In den Betrieb. Der Betrieb braucht vieles. Man investiert laufend in die Entwicklung. Daraus entsteht auch diese enorme Selbstständigkeit. Wir sind aus eigener Kraft gewachsen. Wir sind damit resilient geworden. Alles, was investiert wird, wird in die Region investiert. Alles, was du hier siehst, haben Schreiner und Tischler aus der Umgebung gemacht.

Und das ist natürlich teurer, als alles bei IKEA zu kaufen.

(lacht) Ja, ein bisschen. Ähm ja kein Kommentar. (lacht sehr. Überhaupt haben wir sehr viel gelacht hehe)

Es wirkt alles so familiär. Wie schafft man es, familiär zu bleiben, obwohl es mittlerweile hunderte Mitarbeiter*innen gibt.

Es geht um nichts anderes, als ein Miteinander. Wenn du so agierst, wie du behandelt werden möchtest, dann schaffst du Familie. Dann schafft man ein Zusammengehörigkeitsgefühl und das trägt.

Was ist die Vision für SONNENTOR in 10 Jahren?

Die Vision ist ganz klar. Wir wollen weiter im Kreislauf wirtschaften und sinnvolle Arbeitsplätze schaffen. So, wie ich damals meinen ersten Arbeitsplatz bekommen habe. Da habe ich mir gedacht, das muss auch mit hundert oder tausend Arbeitsplätzen funktionieren. Bis jetzt sind es bei uns schon über 500 geworden. In Österreich, Deutschland, Tschechien und Rumänien. 

Du hattest also schon am Anfang die Vision, dass es etwas Großes wird?

Naja, du musst ja wissen, was du willst. Für mich war klar, ich will keine Investoren reinholen, ich will das machen, mit Menschen, die ich mag. Es war nie das Ziel, dass ich muss. Das große Ziel dahinter war, dass ich eine Arbeit für mich finde. Dass ich nicht weggehen muss, dass ich hier im Waldviertel eine Arbeit für mich schaffe. Das habe ich damals nach einem Jahr geschafft. Alles weitere war ein Geschenk. Danke dafür!

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