Ich weiß, hier auf dem Blog gehen nicht mehr so häufig Beiträge online. Das liegt unter anderem daran, dass ich trotz Depression, Burnout und chronischen Erkrankungen immer weitergemacht habe ‚als wäre nix‘. Natürlich ist mir irgendwann die Kraft ausgegangen. Dazu wird es sicher einmal einen gesonderten Beitrag mit mehr Infos geben, versprochen. Ich vermisse das bloggen manchmal, jedoch bin ich gerade dabei, neue Wege für mich zu finden und momentan ist es für mich daher besser, nicht so regelmäßig, wie früher, zu posten.
Nun habe ich auf meiner sehr inspirierenden, intensiven und berührenden Reise nach Kenia mit der Caritas Österreich Anfang Juni so viel erlebt und gelernt, dass ich gar nicht anders kann, als euch alles zu berichten! Nach der Kenia-Reihe werde ich wieder abtauchen, aber bis dahin habe ich drei sehr spannende Artikel für euch vorbereitet.
Aber alles der Reihe nach. Am 4. Juni durfte ich gemeinsam mit Journalist*innen eine Pressereise nach Kenia antreten. Wir sind am 5. Juni in Nairobi angekommen und dann in den Norden Kenias weitergereist.
Zur Transparenz: Pressereise, unbezahlte Werbung
David Denge erzählt uns von der Dürre: „Ich habe drei Jahre lang keinen Tropfen Regen gesehen.“
Im Norden liegt der größte Bezirk Kenias, nämlich Marsabit. Marsabit ist so groß wie Österreich und etwa 80% der über 450.000 Einwohner*innen leben als Nomad*innen. Die Landschaft ist karg. Auf unserer Reise sehen wir kaum Wiese, sondern überwiegend trockene Steppe. Wir sind über 1000km durchs Land gefahren, um verschiedene Projekte der Caritas Österreich und PACIDA zu besuchen. PACIDA ist eine NGO vor Ort, die eng mit der Caritas und anderen NGOs zusammenarbeitet. PACIDA steht für Pastoralist Community Initiative And Development Assistance. (Pastoralist = Nomad*in.)
Wir sind über Stock und Stein im Buschland gefahren und Wasser war weit und breit nur an wenigen Stellen zu sehen – ansonsten ausgetrocknete Flüsse, vor Trockenheit aufgerissener, eisenhaltiger Boden.
In Kenia folgt Regenzeit auf Trockenzeit auf Regenzeit und so weiter. Die letzten drei Jahre über hat es jedoch in manchen Gebieten gar nicht geregnet. Der Direktor der Tiigo School, David Denge, berichtet uns, dass er drei Jahre lang keinen Tropfen Regen gesehen hat. An anderen Orten hat es hin und wieder geregnet, doch eine echte Regenzeit gab es nun drei Jahre lang nicht.
Bis vor wenigen Monaten war der Norden Kenias also von einer so heftigen Dürre betroffen, wie sie seit 40 Jahren nicht mehr vorgekommen ist. Durch die Klimakrise häufen sich Extremwetter und genau das beobachten wir in Marsabit. Ab Mitte März 2023 gibt es dann heftige Regenfälle, die einen Monat lang andauern. Du denkst nun vielleicht: Wunderbar, endlich Regen! Der Boden war jedoch bereits so ausgetrocknet, dass all das Wasser kein Segen, sondern eher zum Problem für Nomadenfamilien wurde. Es gab starke Überschwemmungen, Nomadenhäuser wurden zerstört und Tiere weggeschwemmt und getötet.
Wenn ich von Tieren spreche, dann meine ich die Herden der Nomad*innen, die bereits zu 60-80% von der Dürre vernichtet wurden. Was also an Herde noch übrig war, erlag dann zum Großteil den Überschwemmungen. Die Herden sind also etwa zu 80-90% verendet. Manche Familien haben gar keine Tiere mehr. Je nach Region.
Über 350.000 Menschen in Marsabit sind Nomad*innen. Sie wechseln ihren Standort für gewöhnlich alle paar Monate, um neue Weideflächen für ihre Herden zu finden. Doch durch die Dürre, gibt es keine Weideplätze – das ist aber ohnehin sekundär, da die Tiere der Hirt*innen ja großteils verstorben sind. Somit ziehen manche Nomadenfamilien aktuell nicht umher, auch, um nah bei einer Wasserstelle zu bleiben, die sie gefunden haben.
Wir haben gelernt, dass die Tiere der Nomaden ihr ganzer Stolz, ihr wichtigster Besitz und ihre Existenzgrundlage sind. Die Nomadenfamilien sind auf ihre Tiere angewiesen. Wer Tiere hat, kann seine Kinder in die Schule schicken. Wer Tiere hat, kann sie verkaufen oder tauschen. Wer Tiere hat, hat Milch und Fleisch. Wer Tiere (Kamele) hat, kann heiraten. Wer Tiere hat, muss nicht verhungern.
Girimpe Tuye erzählt: „Unser Haushalt hatte früher 100 Kamele, jetzt 2, 500 Ziegen und Schafe, jetzt 20, und 10 Kühe, jetzt 0. Die Dürre hat fast alle dahingerafft“
Sie berichtet, dass die Menschen aktuell wirklich zu 100% abhängig von Caritas, PACIDA und anderen Organisationen sind. Dürren hat es immer gegeben. Aber die Häufigkeit der Dürren ist so extrem, dass sie keine Lebensgrundlage mehr haben.
Die Caritas leistet, gemeinsam mit PACIDA, der Organisation vor Ort, Nothilfe, da sich die Situation durch die langanhaltende Dürre und die heftigen Überschwemmungen so sehr zugespitzt hat, dass die Nomad*innen auf Hilfe angewiesen sind, um zu überleben.
Wenn die Klimakatastrophe zur Hungerkatastrophe wird
Wir waren vor Ort, um die Zusammenhänge zwischen der Klimakrise, für die überwiegend der globale Norden verantwortlich ist, und die katastrophalen klimatischen Bedingungen im globalen Süden zu verstehen und zu verbreiten. Die Auswirkungen der Klimakrise sind längst da. Natürlich betrifft die Klimakrise uns alle. Nur spüren wir in Deutschland oder Österreich diese Folgen meist noch deutlich weniger am eigenen Leib und haben vorerst in der Regel weiterhin ein vergleichsweise normales und gutes Leben. Währenddessen kämpfen Menschen in Kenia und anderen Gebieten ums Überleben.
So auch in Marsabit im Norden Kenias. Länder, die bereits von begrenzten Ressourcen und Armut betroffen sind, sind unverhältnismäßig stark von der Klimakrise und somit Hitzewellen und schwereren Wetterereignissen betroffen. Die langanhaltende Dürre steht also in direkter Verbindung mit der Klimakrise. Menschen, die einen winzigen CO2 Fußabdruck haben, wenn sie überhaupt einen haben, leiden sehr heftig unter den Folgen des sich verändernden Klimas. Kein Wasser und keine Tiere bedeutet hier Tod. Die Regierung leistet teilweise Nothilfe. Jedoch ist das nicht genug, es gibt zu wenig staatliche Unterstützung, um die Auswirkungen abzufedern. NGOs wie PACIDA und Caritas retten mit ihrer Arbeit jeden Tag Leben. Zum einen wird dringend benötigte Nothilfe geleistet, zum anderen werden Projekte aufgebaut, die nachhaltig helfen sollen, damit Nomadenvölker auf Dauer nicht mehr auf Hilfe angewiesen sind und sich an die veränderten klimatischen Bedingungen anpassen können.
Die Ungerechtigkeit: Die, die am wenigsten zur Klimakrise beitragen, leiden an heftigsten darunter
Meiner Meinung nach hat der globale Norden eine Verpflichtung, für Auswirkungen der Klimakrise im globalen Süden aufzukommen. Das passiert bereits, jedoch ist das noch viel zu wenig. Deshalb ist jede Spende, die wir als Individuen erübrigen können, tatsächlich lebensverändernd für Menschen, die alles verloren haben.
Alle 10 Sekunden stirbt ein Kind an Hunger.
Wir haben nur ein einziges Gebiet besucht, in dem Menschen hungern. Es gibt noch so viele mehr. In Pakistan fallen die Ernten aus, auf Tuvalu, einer Insel im Südpazifik, sind die Menschen täglichen Überschwemmungen und mehrmals jährlich heftigen Sturmfluten ausgesetzt. Keine Ernten und auch bald kein Lebensraum mehr. Die Liste ist lang.
In einem zweiten Beitrag werde ich euch übrigens ein paar der Projekte vorstellen, die wir mit der Caritas besucht haben. Fakt ist: Die Spenden kommen an.
Wie hilft die Caritas im Kampf gegen Hunger?
Ganz grob gesagt, kann man diese Hilfe in zwei Schwerpunkte aufteilen: Nothilfe und nachhaltige Hilfe, die darauf abzielt, dass Menschen, die Unterstützung erfahren, langfristig keine Hilfe mehr benötigen.
Die Caritas arbeitet in 18 Schwerpunktländern bzw. -regionen, darunter auch Äthiopien, Kanog, Mosambik, Senegal, Ukraine, Moldau, Belarus und Pakistan.
Im Fokus stehen humanitäre Hilfe, sowie langfristige Ernährungssicherung, bspw. durch Investitionen in kleinbäuerliche Betriebe, Saatgutverteilung und Schulungen bzgl. wassersparender Bewässerungsmethoden und klimaresistenter Anbaumethoden. Außerdem bekämpft die Caritas durch gezielte Maßnahmen die Unterernährung von Kleinkindern.
150 Millionen Kinder weltweit sind aufgrund mangelhafter Ernährung von ‚stunting‘ betroffen. Das bedeutet, dass sie aufgrund von Mangelernährung zu klein für ihr Alter sind.
828 Millionen Menschen leiden an chronischem Hunger.
Es gibt viele Möglichkeiten, zu helfen. Indirekt, indem du für den Systemwandel eintrittst, nachhaltiger lebst und für die deine Stimme erhebst, die auf Hilfe angewiesen sind. Direkt, indem du spendest und anderen von der Lage der Nomad*innen im Norden Kenias erzählst.
Jede Spende zählt
Mit 10€ schenkst du bspw. einer Familie fünf Setzlinge für Obstbäume. Mit 40€ kann sich eine Familie einen Monat lang mit Lebensmittel versorgen. Mit 45€ ermöglichst du den Kauf einer Ziege für Nomad*innen. 100€ ermöglichen bspw. Wasserlieferungen. Du kannst auch ab 10€ Patenschaften abschließen und der Caritas helfen, den Hunger nachhaltig zu bekämpfen.
Lies hier mehr über die aktuelle Hungerkampagne der Caritas Österreich.
Unsere Reise war sehr berührend und inspirierend. Die Nomadenvölker sind uns mit so viel Liebe begegnet, obwohl einigen durchaus sehr bewusst ist, dass wir aus dem Westen direkt für die Klimakrise und damit auch deren teils katastrophale Lage verantwortlich sind. Alles, was sie brauchen, um ihr Leben so zu leben, wie sie es möchten, ist ein guter Zugang zu Wasser und regelmäßige Regenzeiten. Wenn diese ausfallen, bricht das ganze Lebenskonzept zusammen und sie sind auf Hilfe angewiesen, um zu überleben.
Zum Abschluss: Zwei Momente waren besonders ergreifend. Von diesen möchte ich euch kurz erzählen.
Meet Guyo Gonjoba Godana
Guyo Godana hat eine Frau und drei Kinder. Er ist der Schwiegersohn des Stammesführers. Im Gegensatz zu allen anderen aus seinem Nomadendorf hat er Kenia bereits für eine Reise verlassen und eine Woche in Toronto verbracht. Er hat die Schule besucht, hat studiert, hatte die Chance, sich mit den Zusammenhängen der Klimakrise zu beschäftigen und ist im Endeffekt auch wieder in sein Heimatdorf zurückgekehrt.
Er sagt folgendes: „I have been in Toronto for a week. And what I saw was shocking. (…) The current drought, which is a byproduct from the climate change. (…) Climate change, people say it’s a natural phenomenon, others call it a hoax. But I want to be (…) clear. We are blaming the western world, the industrial world for giving us a hard time, by polluting our air. (…)“
Meet Guyo, den Hirten
Wir sind über 1000km durch die Steppe gefahren und ich habe nur drei Mal natürliche Wasservorkommnisse gesehen. Einmal war es eine große Pfütze, das zweite mal ein bisschen Grundwasser in einem Brunnen und das dritte mal eine Oase mitten im Buschland. In dieser Oase haben wir Guyo getroffen (ja, er heißt auch Guyo). Er ist Hirte. Er kam mit dutzenden Kamelen in die Oase und hat uns berichtet, dass vor der Dürre oftmals ein einziger Haushalt so viele Tiere hatte, wie man dort sehen konnte. Nun sind es die Kamele von 30 Familien. Er hat erzählt, dass er während der Dürre nach Äthiopien gegangen ist – Äthiopien grenzt im Norden an Kenia. Somit konnte er ein paar zusätzliche Tiere retten, da es in Äthiopien mehr Wasser gab. Er erzählte uns, dass sie eigentlich verfeindet sind mit den Menschen in Äthiopien, aber dass sie während der Dürre liebevoll aufgenommen wurden und sich alle gegenseitig geholfen haben.
Wir haben ihn gefragt, was er heute gegessen hat und er meinte, dass er in der Früh einen Tee getrunken hat und das er später am Abend vielleicht wieder einen Tee bekommt.
Ich weine, während ich das schreibe, weil es für mich unbegreiflich ist, wie wir als Gesellschaft all das zulassen konnten. Wir wissen schon lange um die Folgen der Klimakrise. Die Politik ist unfähig, rasch genug zu handeln. Alles passiert im Schneckentempo. Währenddessen hungern Menschen auf der ganzen Welt. Menschen wie Guyo, die keinen CO2-Fußabdruck haben und genau gar nichts zu dieser Misere beigetragen haben.
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