Gemeinsam war ich mit der Caritas Österreich auf Pressereise in Kenia. Darüber habe ich hier bereits einen ersten Artikel geschrieben. Guck gerne rein, dort findest du alle Details.
Ich fasse die Lage dennoch nochmals kurz zusammen. Wir waren im Norden Kenias, in Marsabit. Marsabit ist so groß wie Österreich und der Großteil der Menschen, die dort leben, sind Nomad*innen. Ihr ganzer Stolz und wichtigster Besitz, der sie nährt und ihnen die Möglichkeit gibt, ihre Kinder in die Schule zu schicken, sind ihre Herden. Drei Jahre lang herrschte eine sehr starke Dürre. Es gab kaum bis gar keinen Regen. Mehrere Regenzeiten sind also ausgefallen. Die Herden sind zu 60-80% gestorben, weil es nicht genug Nahrung und Wasser gab. Das wiederum bedeutet, dass Nomad*innen Hunger leiden müssen, da die Milch der Tiere und das Fleisch ihre Nahrung sichert. Ab Mitte März gab es dann für einen Monat lang heftige Regenfälle. Diese waren mehr Fluch als Segen, denn der Boden war so trocken, dass die großen Mengen an Wasser zu starken Überschwemmungen geführt haben. Ein Großteil der wenigen Tiere, die die Dürre überlebt haben, wurden weggeschwemmt und sind gestorben.
Transparenz: Einladung/Pressereise, unbezahlte Werbung
Viele Nomadenfamilien stehen vor dem Nichts. Fehlendes Wasser und ausfallende Regenzeiten durch klimatische Veränderungen sind nach wie vor das größte Problem. Die fast oder ganz ausgestorbenen Herden bedeuten, dass sie Hunger leiden müssen. Und das jeden Tag. Die Regierung hilft teilweise mit Nahrung, jedoch wird nicht jedes Nomadendorf erreicht und es gibt auch schlichtweg zu wenig staatliche Unterstützung, um die Auswirkungen abzufedern. NGOs wie PACIDA und Caritas retten mit ihrer Arbeit jeden Tag Leben.
Fakt ist: Die existenzbedrohende Lage, in der sich Nomadenvölker in Marsabit und viele andere Menschen im globalen Süden befinden, hat ihren Ursprung teilweise in der Klimakrise, von der wir als globaler Norden die Hauptverursacher sind. Ich finde, es liegt in der Verantwortung der Politik Schadenszahlungen zu leisten und zu helfen. Zum Teil ist das bereits der Fall, jedoch nicht annähernd genug. Hier könnt ihr in einem Artikel von derstandard.at mehr darüber lesen. Menschen in Marsabit und vielen anderen Teilen der Welt, die besonders hart von der Klimakrise betroffen sind, sind auf unsere Hilfe angewiesen.
Projekte in Marsabit
Ich habe gesehen, dass die Spenden wirklich ankommen und einen großen Unterschied machen. Heute stelle ich euch deshalb ein paar der Caritas- und PACIDA-Projekte vor, die wir besucht haben.
Es wird übrigens noch einen weiteren Artikel zum Thema geben. Hier werde ich darüber sprechen, wieso Bildung so immens wichtig ist und wie sie Leben verändert.
1. Dhemo – Nothilfe Projekt in North Horr
Wir haben das Dorf Dhemo besucht. Hier leben 151 Familien. Das Dorf ist stark von der Dürre betroffen, die Herden sind geschrumpft, es gibt kaum mehr Tiere. Die Caritas hat mit Nothilfe unterstützt. In diesem Fall mit Wasser und Cash-Transfer (= direkte Geldspende). Die Caritas setzt mittlerweile stark auf solche Geldspenden, da die Menschen vor Ort am besten wissen, was sie benötigen. Cash Support macht auch deshalb Sinn, weil es sehr effektiv ist und weniger administrativen Aufwand bedeutet. Außerdem bleibt das Geld im Land und kurbelt dort die Wirtschaft an. Das ist deutlich sinnvoller, als bspw. Essenspakete aus Österreich zu senden. Außerdem ist diese Hilfe die würdevollste.
Bei unserem Besuch haben außerdem 81 Haushalte jeweils fünf Ziege und Schafe erhalten.
Wir besuchen Girimpe Tuye, 58, sie erzählt:
Die Pastoralis (Nomad*innen) können nicht weiterziehen, weil sie keine Kamele mehr haben. Deshalb sind sie für den Moment sesshaft geworden. Sie haben fast ihre gesamte Herde verloren. Ihr Haushalt hatte früher 100 Kamele, jetzt 2, 500 Ziegen und Schafe, jetzt 20, und 10 Kühe, jetzt 0. Sie berichtete, dass es immer Dürren gab, doch die Länge und Häufigkeit der Dürren sei jetzt so schlimm, dass sie keine Lebensgrundlage mehr haben. Sie berichtet uns, dass die Dürren extrem beängstigend für die Menschen sind. Sie vertrauen aber auf Gott und hoffen, dass er ihnen weiterhelfen wird.
Studien geben Girimpe übrigens recht. Durch die Klimakrise nehmen überall auf der Welt Extremwetter zu – wie am Beispiel von Kenia die Länge und Häufigkeit von Dürren. Es trifft dann eben auch genau die Länder am stärksten, die ohnehin schon von Armut und Ernährungsunsicherheit betroffen sind.
Das ist übrigens ein typisches Hauszelt der Nomadenfamilien. Wir haben auf unserer Reise über 100 verschiedene gesehen. Sie sind sich ähnlich, aber auch ganz individuell und werden aus verschiedenen Stoffen und Leder gemacht. Sie werden Dase genannt.
2. El-Boru Magadho
Wir besuchen das Nomadendorf El-Buro Magadho. Normalerweise ziehen die Hirtenvölker alle drei bis vier Monate weiter. Jetzt müssen sie, um mit Wasser versorgt zu werden, in der Nähe von Dörfern bzw. Wasserquellen bleiben, obwohl sie das gar nicht möchten. Man merkt, dass das Umherziehen tief in ihnen verwurzelt ist. Es widerstrebt ihnen sehr, lange an einem Ort zu verweilen.
Die Männer haben derzeit wenig zu tun – da sie sich normalerweise immer um die Herden kümmern. Da diese nicht mehr da sind, treffen wir alle Männer versammelt unter einem Baum an. Alle anderen Aufgaben obliegen den Frauen – Wasserholen, Kinder versorgen, kochen und sich um den Haushalt kümmern.
Das Dorf liegt mitten in der Steppe, direkt neben einem großen, ausgetrockneten Fluss und einem Brunnen. Dort treffen wir Kate Gonche.
Kane Gonche, 44, erzählt:
Sie verbringt jeden Tag von 05:00 bis 18:00 beim Brunnen. Tagein, taugaus besteht ihre Aufgabe darin, auf das Wasser zu warten. Früher war hier ein Fluss, durch den das Grundwasser in den Brunnen gedrückt wurde – somit gab es genug Wasser. Wie man im Foto unten im Hintergrund sehen kann, ist der Fluss mittlerweile komplett vertrocknet. Es dauert somit oft Stunden, bis neues Wasser aus dem Brunnen geschöpft werden kann. An vielen Tagen gibt es gar kein Wasser. Die Menschen nehmen so wenig Wasser wie möglich, damit jeder ein Wenig abbekommt.
Gonche berichtet, was uns alle berichten: Es gibt keine Tiere mehr. Keine Schafe, keine Ziegen. Sie können ihre acht Kinder nicht mehr in die Schule schicken. Sie wünscht sich, dass wir verbreiten, dass es diese Probleme gibt und dass viele Kinder aufgrund der aktuellen Lage nicht in der Schule sind. Es ist einfach kein Geld mehr da. Denn Tiere bedeuten eben auch, dass man sie tauschen oder am Markt verkaufen kann und somit Geld zur Verfügung hat.
Der Wasserkiosk in El-Boru Magadho
Um die Menschen zu unterstützen, wurde mit Hilfe der Caritas nur ein paar Meter weiter ein 173m tiefes Bohrloch gegraben. Daneben steht eine Solaranlage. Mit dieser wird die Pumpe betrieben, die 40.000 Liter Wasser pro Stunde pumpen kann.
Das Wasser wird dann in einen Tank und von dort aus zum Wasserkiosk befördert, wo die Dorfbewohner und alle Menschen, die dorthin wandern, Wasser abzapfen können.
Das Problem ist aktuell, dass das Wasser sehr salzig ist. Somit kann das Wasser zwar zum Putzen oder Waschen verwendet, jedoch nicht getrunken werden. Es braucht Geld, um eine Filteranlage zu kaufen und zu installieren. Die Caritas und PACIDA warten diesbezüglich aktuell noch auf Spenden. Etwa 2700 Menschen sollen von dem Wasserzugang profitieren.
3. Enhancing Opportunities for Women while Reducing the Impacts of Climate Change: „Starke Frauen gegen den Klimawandel“
Wir haben zwei Frauengruppen besucht, die im Zuge des „Starke Frauen gegen den Klimawandel“-Projekts unterstützt werden. Zum Verständnis: Die beiden Gruppen leben nicht als Nomadinnen, sondern in einer kleinen Stadt mit festem Wohnsitz.
Ziel ist es, Frauen in ihrer Unabhängigkeit zu stärken und widerstandsfähiger gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels zu machen. Im Fokus stehen die Aneignung unternehmerischer Fähigkeiten durch Schulungen. Das Projekt geht über vier Jahre und fördert die Gründung und Entwicklung von Frauenunternehmen im ländlichen Gebiet, durch eine Kombination aus Unternehmensentwicklung, sozialem Wandel und politischer Lobbyarbeit. Konkret ist das Ziel, das Einkommen von 4927 Unternehmerinnen zu erhöhen und nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen und damit die Anpassungsfähigkeit der Gemeinden an den Klimawandel zu erhöhen.
a. Karere Women Dairy Cooperatives
Die erste Frauengruppe, die wir besucht haben, ist im Milchgeschäft. Sie erzählen uns, dass es vor der Dürre sehr viel Milch gab, mehr als eine Familie alleine verbrauchen konnte. Somit entstand ihre Geschäftsidee. Sie wollten die Milch weiterverkaufen. Anfangs hat sich das als Herausforderung dargestellt, denn die Milch wurde auf dem Fußweg ins nächste Dorf bereits schlecht. Also haben sie gelernt, wie man die Milch für einen Tag haltbar macht. PACIDA und die Caritas haben geholfen, sodass die Frauen höherwertige Milch produzieren können und somit teurer verkaufen können. Außerdem wurde die Gruppendynamik verbessert, Business Management gelehrt und der Geschäftsaufbau gefördert. Sie werden eine Förderung von 150.000 Kenia Schilling erhalten (etwa 1000€), um zusätzliche Milch zu kaufen und somit den Transport pro Liter günstiger zu machen. Mittlerweile besteht nämlich das Geschäftsmodell darin, Milch von anderen einzukaufen, haltbar zu machen und dann weiterzuverkaufen.
Eine Frau aus der Gruppe berichtet uns, dass sie früher ihren Mann immer um Geld bitten musste, wenn sie auch nur ein Schulheft für ihr Kind kaufen musste. Heute ist das anders. Sie verdient ihr eigenes Geld und ist somit unabhängiger. Und manchmal bittet sogar ihr Mann sie um Geld. Das ist zuvor noch nie vorgekommen und darauf ist sie, zurecht, sehr stolz.
b. Chorora Women Group
Schon vor 10 Jahren haben Frauen in Marsabit eine Gruppe gegründet. Es haben sich Frauen von zwei unterschiedlichen Stämmen, die seit Jahren verfeindet sind, nämlich die Gabra und die Borana, zusammengetan, um Frieden zu verbreiten. Sie sind von Haus zu Haus gezogen und haben Friedenslieder gesungen und haben auch zu Hause versucht, ihre Männer vom sinnlosen Töten abzuhalten.
Die Gruppenvorständin Hadija Sarr erzählt uns, dass die Konflikte sehr heftig waren. Es gab viele Tote. Manche aus der Gruppe haben ihre Männer verloren und andere ihr Zuhause, weil es der Brandstiftung zum Opfer gefallen ist. Die Stämme hatten durch die ausfallenden Regenzeiten bereits besonders große Sorgen, die die Konflikte um Wasser und die Kämpfe noch weiter anheizten. Erst vergangenen Herbst haben die Konflikte geendet.
Als Gruppe (ähnlich einem Verein) haben sie sich bereits vor Jahren eintragen lassen. Wir treffen Hadija Sarr und die anderen Frauen der Gruppe auf einem Grundstück, das sie mit Hilfe der NGOs zu einem Imkereibetrieb mit Bienenhäusern umgestaltet haben. Durch das Programm der Caritas konnten sie mehr über nachhaltige Unternehmensführung und das Imkern lernen.
Amina Galgalos ist die Buchhalterin der Gruppe. Sie schildert uns die Regeln der Gruppe:
Wer Teil der Gruppe sein will, muss einen Fixbeitrag einzahlen. Die Gruppenmitglieder helfen sich gegenseitig mit Krediten oder, wenn das Geld mal knapp ist, bspw. das Schulgeld für die Kinder zu bezahlen. Die Frauen verdienen als Einzelpersonen Geld, geben dieses Geld in die Gruppe, um ihr Business zu stärken. Sie haben bereits 30kg Honig verkaufen können – ein großer Erfolg. Für 1kg Honig erhalten sie 3000 Kenia Schilling. Das sind etwa 20€. Es war schön, diese energiegeladenen Ladies kennenzulernen, die für ihre Unabhängigkeit, für Frieden und ein nachhaltiges Leben kämpfen. Sie haben in den letzten Jahren so viel Leid erfahren und leben in einem System, das noch weitaus patriarchalischer ist, als hier bei uns. Dass sie als Frauen ein Business aufbauen, ist wirklich etwas besonderes. Amina sagt: „We live, eat and speak exactly like our men! Even in the meetings!“
828 Millionen Menschen leiden an chronischem Hunger.
Es gibt viele Möglichkeiten, zu helfen. Indirekt, indem du für den Systemwandel eintrittst, nachhaltiger lebst und für die deine Stimme erhebst, die auf Hilfe angewiesen sind. Direkt, indem du spendest und anderen von der Lage der Nomad*innen im Norden Kenias erzählst.
Jede Spende zählt
Jede Spende zählt. Mit 10€ schenkst du bspw. einer Familie fünf Setzlinge für Obstbäume. Mit 40€ kann sich eine Familie einen Monat lang mit Lebensmitteln versorgen. Mit 45€ ermöglichst du den Kauf einer Ziege für Nomad*innen. 100€ ermöglichen bspw. Wasserlieferungen. Du kannst auch ab 10€ Patenschaften abschließen und der Caritas helfen, den Hunger nachhaltig zu bekämpfen.
Lies hier mehr über die aktuelle Hungerkampagne der Caritas Österreich.
Die Caritas leistet gemeinsam mit Pacida, einer NGO vor Ort, Nothilfe (Wasserversorgung) und unterstützt bei wichtigen Projekten, die nachhaltig helfen sollen, damit Nomadenvölker und Kleinbäuer*innen auf Dauer nicht mehr auf Hilfe angewiesen sind und sich an die veränderten klimatischen Bedingungen anpassen können. Das geschieht bspw. durch Schulungen bzgl. wassersparender Bewässerungsmethoden und klimaresistenter Anbaumethoden.
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